Elfriede Grabowski: Lehrerin mit über 90 Jahren

Seit 1967 im Einsatz

Dieser Artikel erschien zuerst am 25.11.2025 in der Berliner Zeitung, Autorin: Sabine Hauke
https://www.berliner-zeitung.de/open-source/beispiellose-karriere-sie-ist-die-wohl-aelteste-aktive-lehrerin-berlins-li.10005384

Wenn Elfriede Grabowski durch die Schulküche der Evangelischen Schule Lichtenberg wirbelt, duftet es bald nach frisch gebackenem Kuchen, dampfenden Aufläufen oder einer würzigen Suppe. Mit Schürze, guter Laune und jahrzehntelanger Erfahrung steht sie Woche für Woche in der Koch-AG – und das mit 91 Jahren. Einige ihrer Kolleginnen sind jünger als ihre Enkel, aber das scheint Frau Grabowski nicht im Geringsten zu stören. Geboren wurde sie im Juni 1934, natürlich am Internationalen Kindertag, wie sie mit einem Lächeln betont. Die Schülerinnen und Schüler lieben ihre freundliche Art und ihre Geduld.

Ihr pädagogisches Talent zeigte sich früh: Als Älteste von vier Geschwistern übernahm sie bereits als Heranwachsende Verantwortung. In der Jungen Gemeinde leitete sie Kindergruppen, obwohl sie selbst noch die Schulbank drückte. Im Ostberliner Ortsteil Friedrichshagen erlebte sie ihren Schulalltag unter sowjetischer Besatzung mit Unterricht im Schichtsystem, „eine Woche von acht bis ein Uhr, dann eine Woche von eins bis sechs, weil im Nebengebäude die Russen saßen“. Die Schule machte ihr Spaß, das Lernen fiel ihr leicht, so wurde ihr wegen ihres aufgeweckten Wesens der Spitzname „Köpfchen“ verpasst.

Selbst noch Schülerin, durfte sie ihre ersten Erfahrungen als Lehrerin früh sammeln. An ihrer Schule waren Lehrerinnen erkrankt, so fragte der Rektor die Elftklässlerin, ob sie in einer zweiten Klasse als Aushilfslehrerin einspringen könne. Das war wohl der Beginn einer beispiellosen Lehrerinnenkarriere. Die Kinder mochten sie so sehr, dass sie kurzerhand alle ihrem Kinderkreis in der Jungen Gemeinde beitraten.

Zum Studium zog sie nach Westberlin, „war ja alles offen“, das heißt, damals stand die Berliner Mauer noch nicht. An der Kirchlichen Hochschule studierte sie Religionspädagogik. In den Semesterferien arbeitete sie in Kinderferienlagern im Grunewald – für eine Westmark am Tag, Verpflegung und eine einfache Unterkunft, „wir schliefen auf der Erde auf Stroh, jeder brachte von zuhause Decken mit.“

Nach dem Studienabschluss kam bald die Geburt ihrer Kinder und schließlich ein Umzug nach Mahlsdorf in Ostberlin. Ab 1967 wurde sie dort zur gefragten Vertretungslehrerin. „Das Telefon klingelte immerzu. Ich machte die Waschmaschine aus, setzte mich aufs Rad und fuhr los – wenn Not am Mann war, und das war ständig der Fall.“ Ihr Stundenlohn: fünf Ostmark. Um dauerhaft eingesetzt werden zu können, absolvierte sie die Prüfung zur Unterstufenlehrerin. „Dann wurde ich fest angestellt und durfte alles unterrichten außer Staatsbürgerkunde.“

Mit der Wiedervereinigung folgte der nächste Umbruch: Ihr Abschluss als Unterstufenlehrerin wurde durch die westdeutschen Behörden nicht anerkannt. Was für ein Schreck! Aber Frau Grabowski war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Durch ihre Kontakte zu Irene Melzer, die damals die Arbeitsgemeinschaft Religionsunterricht in Lichtenberg leitete, wurde sie Mitgründerin der Evangelischen Schule Lichtenberg und trug aktiv dazu bei, den Religionsunterricht im Osten Berlins aufzubauen. „Nach der Wende herrschte hier Chaos“, erinnert sie sich. Heute hat sich alles eingespielt – der Religionsunterricht ist etabliert und selbst ihre Enkelkinder haben inzwischen die Schule besucht, an der sie bis heute mitwirkt. Elfriede Grabowski ist weiterhin fester Bestandteil des Schullebens – ihre Kochkurse sind heiß begehrt und es gibt regelmäßig mehr Anmeldungen als Plätze. Und wenn man sie fragt, ob sie irgendwann ans Aufhören denkt, lacht sie nur. (SH)

Ähnliche Beiträge